Lage, Lage, Lage: Zwischen Fjorden und Hügeln kann man erst flanieren – und dann wandern
Uff. 248 Regentage. Klar, dass ich einen davon erwischt habe. Es regnet nicht einfach, seit wir gerade mit der MS Bergenline angelegt haben, um die zweitgrößte Stadt Norwegens zu erkunden. Nein, es pisst Hunde und Katzen vom Himmel. Dazu sieben Grad und Sturm. Das hält ein paar hartgesottene Bergener nicht davon ab, in T-Shirt und Shorts ihre Joggingrunden zu drehen aber ich hätte mir zugegeben ein bisschen Sonne gewünscht für den Stadtbummel. Egal, „we are not made of sugar“ sage ich zu unserer Reiseführerin Beate – und bin der einzige, der über den Witz lachen muss. „Die Durchnittstemperatur in Bergen liegt bei 8 Grad. Es kann also sein, dass der 24. Juni und am 24. Dezember gleich warm sind – oder kalt, je nachdem“, erklärt Beate. Dann spannt sie ihren schwarzen Regenschirm auf und macht uns klar, dass sie keine Lust mehr hat, übers Wetter zu sprechen. Denn das raue Klima gehört hier nun mal dazu. „Entweder wollt Ihr was sehen oder trocken bleiben“, sagt sie mit einem Lächeln. Nach etwa drei Minuten hört es auf, dann kommt die Sonne raus.

Es gehört zu den angenehmen Erlebnissen des Lebens, Norwegern dabei zuzuhören, wie sie Deutsch sprechen! Das ist ungefähr so niedlich wie ein Korb voller Hundewelpen. Beate erzählt in einem entzückenden Akzent, dass die Norweger an Trolle glauben, beziehungsweise sie sind sicher: „Es gibt hier überall Trolle. Vielleicht nicht in der Stadt. Aber du musst immer ein Stück Käse dabei haben, falls du mal überfallen wirst.“ Sie erzählt weiter, dass Trolle fast nicht von Menschen zu unterscheiden sind, weil sie ihren langen Schwanz gut verstecken können. „Das macht sie so gefährtlich.“Ich bin etwas enttäuscht, in meiner für nordische Mythologie anfälligen Fantasie hatte ich sie mir so „Herr der Ringe“-mäßig vorgestellt. Und die Trollfiguren in der ganzen Stadt verteilt, tun ja ihr übriges: klein, gedrungen, eher drollig, denn furchteinflößend. In Bergen geht es ansonsten ziemlich friedlich zu: Es gibt kleine Gassen mit charmanten kleinen Holzhäuser, Blumenläden, Cafés und viel Kopfsteinpflaster. Sehenswürdigkeit Nummer 1 ist Bryggen, das alte Hanseviertel, seit 40 Jahren ist es bereits UNESCO-Weltkulturerbe. Die alten Holzhäuser stehen bunt und windschief am Hafen, sie erzählen vom Mittelalter und den Anfängen der Stadt vor bald 1000 Jahren. Mehrere Großbrände zerstörten einen Großteil der Häuser, die hier von den Hanseaten erbaut wurden und Bergen damals zu einer der wichtigsten Handelsstätte machten.

Nachdem wir das sehr lustig aussehende Denkmal von Henrik Ibsen bestaunt haben (ich mache innerlich Kniefälle, „Hedda Gabler“ ist eins meiner Lieblings-Theaterstücke) machen wir Zwischenstopp für einen Kaffee im Opus XVI, jetzt wird der wieder einsetzende Regen doch etwas heftig. Das Luxushotel ist in einem alten Bankgebäude untergebracht und beherbergt nicht nur einen Original-Flügel von Edvard Grieg in der Lobby und eine Ausstellung aus dem wirklich bewegten Leben des Komponisten: Der Inhaber Alexander Grieg ist ein direkter Nachfahre des Genies (das sein Ur-Ur-Großonkel war!). Hier kann man einen opulenten Afternoon Tea genießen – mit Sandwiches und Sweets, die natürlich auf Etageren gereicht werden („If you are feeling fancy it might also be accompanied with something bubbly!“) – 395 norwegische Kronen (ca. 40 Euro) finde ich dafür sehr fancy!

Weiter geht’s mit dem Spaziergang, mir fällt auf, dass Bergen so klein ist, dass man irgendwie immer wieder an den Hafen kommt. Beate verabschiedet sich und wir bestaunen die Seeigel und anderen Kuriositäten in der Markthalle am Wasser, ein Stockwerk darüber liegt die der wohl schönste Arbeitsplatz der Welt: Die Touristeninfo, mit Blick auf Bryggen und direkt am Meer, in dem hochmodernen roten Informationszentrum hat man einen Panoramablick über die Bucht von Bergen (und von unten gibt es stets frische Fischbrötchen). Direkt gegenüber, auf der anderen Hafenseite (es ist alles wirklich sehr überschaubar, keine Sorge) liegt Røst, ein Laden für hochwertige skandinavische Produkte von Parfum und Beautykram über feinste Schokolade, Klamotten oder Interieur Design. Ich bringe kurz die Kreditkarte zum Glühen und freue mich schon darauf, wie sich die Lieben zuhause über ihre Mitbringsel freuen werden… ich lasse mir den norwegischen Satz eines Schriftstellers auf der Porzellantasse übersetzen: „Du bist das schönste Kompliment, das ich je bekommen habe.“ Die muss mit!

Zum Schluss, denn das war erstmal nur eine Stippvisite, bevor die Reise weiter Richtung Hardangerfjord geht, will ich mir noch mal einen Überblick über die Stadt verschaffen – und wie Ihr aufmerksamen Leser bereits wisst, lasse ich mir keine Möglichkeit entgehen, in der Stadt kurz das Weite vor den Toren zu suchen. Das geht in Bergen perfekt: Mit der Satdtseilbahn Fløibanen ist man ruckzuck, nach knapp 300 Metern Höhenunterschied im westnorwegischen Gebirge (die Fahrt dauert keine zehn Minuten und kostet 95 Kronen, etwas über 9 Euro). Es gibt von oben nicht nur einen atemberaubenden Blick über Bergen – jetzt sieht man erst, wie harmonisch sich die Stadt ins Meer zu schmiegen scheint (und ihm gleichzeitig eine lange Landzunge, den Stadtteil Nordnes rausstreckt) – sondern man kann auch gleich oben bleiben und sich nach dem Stadtbummel zur Wandertour aufmachen – zwischen Stadt, Fjord und Fjell, wie es hier so schön heißt! Was der Unterschied zwischen Fjord und Fjell ist? Das erkläre ich Euch im nächsten Beitrag!
Diese Reise wurde freundlichst unterstützt von Fjord Norway.
