Oder: Warum ich es immer noch nicht zum Herrchen geschafft habe.
Nicht lang schnacken, in die Nordeifel fahren. Ich hatte ja berichtet, dass ich mich dort quasi beim „Hunde-Tinder“ in den English-Setter-Rüden Spencer verguckt hatte – über die Tierschutzorganisation petangels.com. Nach langen Telefonaten, dem Austausch von Fotos und Videos mit Spencers Pflegestelle Monika und quasi tagelangem Kopfzerbrechen auf beiden Seiten wollte ich ihn endlich kennenlernen. Innerlich schwankte ich zwischen „Bist du bescheuert, das arme Tier!“ und „Hallo!? Ich BIN das beste Herrchen der Welt!“ Monika fand mich durchs Telefon sympathisch und vernünftig, allerdings bereiteten ihr (zu Recht!) die vielen Treppen und mein trotz freier Zeiteinteilung unsteter Stundenplan Kopfzerbrechen. Aber wir gehören beide nicht zur Kategorie Menschen, für die Hunde, zudem große, grundsätzlich in der Stadt nix verloren haben.
Von Hamburg sind es viereinhalb Stunden Fahrt mit dem Auto, ich wusste, dass ich Spencer nicht sofort mit zu mir nehmen würde, es war erstmaliges beschnuppern angesagt. War das komisch? „Nee, der Spencer wird Dich ja nicht gleich als sein Pappi ansehen“, versicherte Monika in ihrem herzlich klingenden Rheinland-Singsang. Als sie die Tür aufmacht, werde ich sofort von Spencer und ihrem „richtigen“ Hund begrüßt – Spencer ist kleiner und zierlicher als ich ihn mir vorgestellt hatte – man könnte ihn ab und zu schon durchs Treppenhaus tragen, denke ich. Aber er ist wach, etwas schüchtern vielleicht – und auch wenn das jetzt oberflächlich klingt: ein wunderschönes Tier. Er kommt neugierig auf mich zu, lässt sich streicheln, aber neben seinem Golden-Retriever-Kumpel geht Spencer auch etwas unter. Über seine Herkunft wissen wir nicht viel, ich vermute, dass er in Spanien sein Dasein als angehender Jagdhund eines Menschen war, der sich nicht wirklich für Hunde als Lebewesen mit Seele und Bedürfnissen interessiert hat. Denn so wirkt der Hund: Als wisse er nicht so recht, wer er ist.
„Der ist zu wild.“
Als wir zu einem großen Spaziergang aufbrechen, erzählt Monika, dass sie als Pflegestelle den Hund nicht von der Leine lassen dürfe, es aber auch sonst nicht tun würde. „Der ist zu wild.“ Das überrascht mich jetzt, doch ich sehe, was sie meint: Kaum hat er die frische Luft gewittert, verändert sich das Tier. Er wirkt jetzt tatsächlich wie ein Jagdhund, nein: als würden die Jagdinstinkte ihn übermannen. Er zieht und zerrt an der Leine, hat so gar nichts mehr von dem schüchternen, verschmusten Kuschel von eben. Es freut mich für ihn. Aber mir wird zugleich klar, was ich schon eben in der Wohnung ahnte: Spencer bräuchte eine sehr klare, wenn nicht harte Erziehung. Und bei seiner zurückhaltenden Art, die immer mit dem Schlimmsten zu rechnen scheint, wäre er bei jemand wie mir, der relativ wenig feste Rituale hat, nicht optimal aufgehoben, auch wenn ich die Stadt für ihn nicht als generelles Problem sehe.
Es könnte klappen, ja. Aber gleichzeitig habe ich Angst, ihm kein gutes Zuhause geben zu können. Was er bräuchte? Eine Person oder ein Paar, die ihm seine ganze Aufmerksamkeit schenken können. Die sich um verletzte und traumatisierte Hundeseelen kümmern. Und die eine Menge von Hunden verstehen. Letzteres würde ich von mir behaupten, gleichzeitig scheint er bei Monika und ihrer Familie aus Mann, Hund, Katzen und Pferden so gut aufgehoben, dass es sich absurd anfühlen würde, ihn dort rauszuholen. Ich ziehe den Schwanz ein, das weiß ich jetzt schon. Weil eine solche Entscheidung eben doch mehr wiegt, als die Frage, wohin man heute einen Ausflug macht oder was es zu Essen gibt. Dass ich aus einer Laune heraus einen Hund adoptiere möchte ich mir nicht nachsagen lassen. Dann schon eher, dass ich mir viel zu viele Gedanken mache. Hier geht es schließlich um ein Lebewesen, das mein Leben komplett verändern würde.
Spencer wird sein Herrchen oder Frauchen finden, da bin ich sicher. Und ich sicher auch irgendwann meinen Hund.
